Kurienkardinal Walter Kasper (87) ist mit der Ehrendoktorwürde der römischen "Accademia Alfonsiana" ausgezeichnet worden. Er erhielt die Auszeichnung für seinen Beitrag "zur Wiederentdeckung des theologischen Konzepts der Barmherzigkeit", so betonten im Gleichklang der Präsident der Akademie, P. Alfonso Amarante, und deren Generalmoderator und Redemptoristen-Generalobere, P. Michael Brehl. Die seit 1949 bestehende Accademia Alfonsiana hat ihren Sitz im Generaltshaus unserer Ordensgemeinschaft an der römischen Via Merulana und bietet Spezialstudien auf dem Gebiet der Moraltheologie an. Seit 1960 ist sie institutionell in die Päpstliche Lateranuniversität eingegliedert.
In der Begründung zur Verleihung des Ehrendoktorats an Kardinal Kasper heißt es, dieser habe mit seinem im Jahre 2012 veröffentlichten Buch über Barmherzigkeit als "Grundbegriff des Evangeliums und Schlüssel christlichen Lebens" die Bedeutung des Konzepts der Barmherzigkeit für verschiedene theologische Disziplinen und für das kirchliche und christliche Leben neu fruchtbar gemacht. Alfonso Amarante hob zudem hervor, dass Kasper in seinem theologischen Wirken stets die konkrete Seelsorge im Blick habe, dies sei besonders für die Moraltheologie eine unverzichtbare Perspektive, denn: "Eine Moraltheologie, die nicht in der Seelsorge gelebt werden kann, ist eine tote Theologie".
Kardinal Kasper betonte in seiner "Lectio magistralis", dass die Verleihung des Ehrendoktorates für ihn eine gänzlich unerwartete Ehre sei, weil er kein Moraltheologe sei - höchstens ein "moralischer Mensch", wie er lächelnd hinzufügte. In diesem Sinne sei die Auszeichnung als eine "gratia gratis data", eine völlig unverdient gegebene Gnade, zu verstehen. Ebenso sprach er einleitend über die Bedeutung des bekannten Moraltheologen und Redemptoristenpaters Bernhard Häring für die Erneuerung der Moraltheologie im 20. Jahrhundert. Er selbst habe während seines Tübinger Theologiestudiums in den 1950er Jahren Härings großes Werk "Das Gesetz Christi" mit großem Gewinn gelesen. Insbesnodere in seinen ersten seelsorglichen Erfahrungen als junger Priester seien die zeitgemäßen und pastoral feinfühligen Ausführungen dieses Werkes ein gutes Fundament für ihn gewesen.
In seiner Vorlesung umriss Kasper die Grundzüge des christlichen Konzepts der Barmherzigkeit. Schon im Alten Testament gelte Barmherzigkeit als Verhaltensweise Gottes und Zeichen seiner Größe. Sie sei nicht als "Christentum zum reduzierten Presis" zu verstehen, sondern vielmehr als "konkrete Gerechtigkeit", da sie die Gerechtigkeit in der konkreten Situation des einzelnen Menschen anwende. Vor diesem Hintergrund verteidigte Kapser noch einmal seine Stellungnahmen während der vatikanischen Synoden über Ehe und Familie in den Jahren 2014 und 2015, in denen er u.a. die Möglichkeit zum Empfang der Eucharisitie für wiederverheirate Geschiedene, aber auch für konfessionsverbindende Ehen forderte. Ganz im Sinne von Bernhard Häring sagte er: "Wir müssen das Gewissen von anderen Menschen respektieren und dürfen nicht an die Stelle von deren Gewissen treten". Und er schloss seine Vorlesung, indem er aus der Eröffnungsrede Papst Johannes XXIII. für das II. Vatikanische Konzil zitierte: "Die Kirche darf heute nicht mehr die Waffen der Strenge benützen, sondern sie muss mit der Medizin der Barmherzigkeit heilen".