19.04.2024

Rückblick auf den Klemens-Festgottesdienst

Mitten in der Fastenzeit haben wir am 15. März den 201. Todestag des heiligen Klemens Maria Hofbauer und zugleich den Abschluss des Klemens-Jahres gefeiert. Hier nun ein kleiner Rückblick auf den Festgottesdienst in Maria am Gestade und ein Audio-Transkript der Predigt von Kardinal Christoph Schönborn.


Liebe Schwestern und Brüder
hier in Maria am Gestade und über Radio Klassik-Stephansdom mit uns verbunden,
liebe Mitbrüder Redemptoristen, Mitbrüder im priesterlichen, diakonalen Dienst!

„Corona“ hat sich auch hier ausgewirkt. Vor einem Jahr hätten wir einen großen Festgottesdienst feiern wollen. Es kam anders. So vieles ist anders geworden – auch wenn ich in das Kirchenschiff blicke, wie wir alle auf Abstand sein müssen.
Es ist eine Zeit der Wende. Und ich denke, die Zeit, in der der hl. Klemens Maria Hofbauer gelebt hat, war mindestens so sehr eine Zeit der Wende, wenn nicht um vieles mehr.

Was mich vor allem bewegt, ist die Frage: Was kann uns der hl. Klemens Maria Hofbauer sagen für die Zeit danach? Als er 1808 nach Wien kam, war der Josephinismus schon zum Teil überwunden, aber es waren die Napoleonischen Kriege, und dann kam der Wiener Kongress und ein Neuaufbau Europas, ein Neustart für Europa. Aber Klemens Maria hat sich nicht primär für die politische Frage interessiert, so sehr sie ihn in seiner Lebensgeschichte betroffen hat, sondern ihm ging es um den Neuanfang aus dem Evangelium.

„Das Evangelium neu verkünden.“ Das heißt in der langen Geschichte der Kirche immer: Zuerst ein Zurück zu den Anfängen. Deshalb hören wir das Evangelium und den heiligen Paulus. Wir schauen in die Anfänge zurück, und so erlaube ich mir, sie einzuladen, einfach ein paar Gedanken mit mir zu teilen und sie selber weiterzudenken, denn jede und jeder von uns hat die Gaben des Heiligen Geistes, hat den Geist Jesu Christi empfangen, aus dem heraus wir spüren, wissen, ahnen, erkennen, was jetzt dran ist, was in dieser Zeit die Herausforderung ist, was uns die Zeichen der Zeit sagen.

Auf jeden Fall: Der hl. Klemens Maria Hofbauer hat nicht resigniert. Mit all den Rückschlägen, die er in seinem Leben erlebt hat, und es waren viele. Aber er hat gewusst: „Die Ernte ist groß.“ Dieses Wort Jesu im heutigen Evangelium: „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenige Arbeiter.“ Er hat gespürt und erfahren, dass die Ernte groß ist, dass viele Menschen warten – oder suchen nach Orientierung.

Er hat in seinem Herzen das Erbarmen Jesu gespürt. Wie oft hat Jesus gesagt: „Mich erbarmt der Menschen.“ Er hatte Mitleid, Mitgefühl mit den Menschen. „Sie sind“, sagt er, „wie Schafe ohne Hirten.“ Das war nicht herablassend, sondern mitfühlend.

Und dieses Wort Jesu: „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid.“ Das hat offensichtlich im hl. Klemens ein starkes Echo gehabt. Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid. Und wie wahr ist das jetzt für diese Zeit, in der wir leben, in der wir alle mühselig und beladen sind oder auch müde und überdrüssig all der Einschränkungen, die die ganze Welt betreffen und jede und jeden einzelnen.

„Bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seinen Weinberg schickt.“ Die Situation von Wien, die Situation Europas in der Zeit des hl. Klemens Maria Hofbauer war nicht grandios. Die Situation der Kirche war nicht glorreich. „Arbeiter für seinen Weinberg.“ Es sind viel zu wenige. Und auch heute sagt der Herr zu uns: „Ich sende euch, geht hinaus.

„Er sandte sie zu zweit hinaus in alle Städte und Ortschaften, in die er selber gehen wollte.“ Er möchte kommen, und er schickt, wie Paulus sagt, Mitarbeiter. Er schickt sie zu zwei und zwei. Er will nicht, dass wir Einzelkämpfer sind. Er will, dass wir gemeinsam hinausgehen.

Klemens Maria Hofbauer hat aber auch erlebt das Wort, das Jesus gleich hinzugefügt hat: „Ich sende euch“, ja aber wie? „Wie Schafe mitten unter die Wölfe.“ Ich glaube, das ganze Leben des heiligen Klemens Maria Hofbauer ist geprägt von diesem Wort: „Wie Schafe unter die Wölfe.“ Er ist nicht wie ein Wolf unter die Wölfe gegangen. Er ist in der Wehrlosigkeit des Evangeliums gegangen, in der Wehrlosigkeit der Armut. Und wie viel Verfolgung hat er erlitten von allen möglichen Seiten, Schikanen, Scheitern, Vertreibung.

Am Ende seines Lebens konnte er sagen: „Manche haben sich niedergeworfen und meine Fußstapfen geküsst.“ Ja, er wurde von vielen sehr verehrt, geliebt. Aber er fügt hinzu: „Dreimal so viele haben mich mit Kot beworfen. Haben mich die einen zu viel entehrt, so haben mich die anderen zu viel geehrt“, sagt er in seiner Bescheidenheit.

Was waren die Schlüssel für seinen apostolischen Erfolg? Man kann schon sagen „Erfolg“. Was waren die Schlüssel? Ich traue mich nicht in diesen heiligen Hallen der Redemptoristen über das Leben des hl. Klemens Maria Hofbauer zu viel zu sagen. Sie kennen ihn wesentlich besser als ich.

Aber einen Zug möchte ich hervorheben, der im Evangelium so wichtig ist: die Armut, die Mittellosigkeit. Wie oft hat der heilige Klemens wirklich diese Armut erlebt, von der Jesus redet. „Nehmt keinen Geldbeutel mit, keine Vorratstasche und keine Schuhe.“ Er konnte oft keinen Geldbeutel mitnehmen, weil er keinen hatte.
Aber offensichtlich will Jesus mit dieser Ausgesetztheit der Armut auch uns für heute etwas sagen, uns als Kirche. Wer ohne Geldbeutel, ohne Vorratstasche und ohne Schuhe losgeht, der ist angewiesen auf die anderen. Und vielleicht will der Herr uns in dieser Zeit das sagen, was er seinen Apostel schon gesagt hat, was der heilige Klemens gelebt hat: Wir sind aufeinander angewiesen. Wie stark erleben wir das in dieser Corona-Zeit. Jeder, der geglaubt hat, dass wir alles im Griff haben, muss erfahren: Wir haben es nicht im Griff. Und das ist kennzeichnend für die Armut. Wir können nur hoffen, vertrauen auf das Zusammenwirken, das Miteinanderwirken.

Und ich denke, Schwestern und Brüder, für den Neustart, den es geben wird nach der Corona-Krise ist eines wichtig: Dass wir nicht nur auf uns selber schauen, auch nicht auf die Kirche, auch nicht auf die Frage: wird die Kirche wieder voll werden? Werden die Menschen zurückkommen, die sich jetzt abgewöhnt haben, in die Kirche zu kommen. Ich verstehe diese Frage. Im Herzen habe ich sie auch. Aber das ist nicht die entscheidende Frage. Die entscheidende Frage ist die, welche den hl. Klemens bewegt hat: Wie geht es den Menschen? Wie geht es uns allen?

Hinausgehen, Menschen sammeln! Nicht um uns selber besorgt sein, sondern um die anderen. Nicht um uns selber kreisen. Klemens Maria Hofbauer hat, wo immer er gewirkt hat, Menschen gesammelt. Das heißt: Sie sind gekommen und er hat sie gesammelt. Ein Menschensammler.

Jesus sagt: „Wenn ihr in ein Haus kommt, dann sagt als erstes Friede diesem Haus.“ Ich habe einen Traum: dass wir Gläubigen hinausgehen. Kardinal König hat den Priestern immer gesagt: Macht Hausbesuche. Geht zu den Menschen. Und wie oft muss ich sagen: Ich habe das viel zu wenig gemacht. Aber Klemens Maria Hofbauer hat diese Grundqualität gehabt, die Jesus gekennzeichnet hat, diese Gastfreundschaft.

Die Menschen sind zu ihm gekommen, und er ist zu ihnen gegangen. „Wenn ihr in ein Haus kommt …“. Mich berührt das so, wie er in seiner kleinen Wohnung nahe St. Ursula die Menschen empfangen hat, ihnen aufgewartet hat, sie bewirtet hat in dieser armseligen Wohnung. Und wie viel ist davon ausgegangen.
Schwestern und Brüder, ich sage das vor allem an uns Priester oder in der Kirche Organisationsverantwortung Tragende: Machen wir uns nicht so viel Sorge um die Organisation der Kirche. Es ist eine weltweite, großartige Organisation. Ich bin dankbar dafür. Aber das, was die Erneuerung in Wien bewirkt hat, die vom hl. Klemens so stark ausgegangen ist, das ist, dass er Menschen gesammelt hat.

Und wenn wir sagen können, dass von ihm so viel kulturelle Erneuerung ausgegangen ist, dann waren das die Künstler, die bei ihm ein Verständnis, ein Zuhause, auch den Glauben gefunden haben, die Dichter, Menschen in der Öffentlichkeit, ganz einfache Menschen, viele junge Menschen haben zu ihm gefunden.
Und eines sagen uns alle, die sich mit Erneuerung der Kirche beschäftigen, die Augen offen haben: Kreise bilden, Hausgemeinschaften, kleine, überschaubare Gruppen! Das zeigen uns die Heiligen, das zeigen uns die erfolgreichen Missionare, ganz besonders der heilige Klemens Maria Hofbauer. Und wenn man ihn kritisiert hat, dass seine Predigt oft nicht sehr geordnet war. Es ging ihm darum, das, was er im Glauben erfahren hat, zu teilen, Glaubenserfahrung. Und die Erneuerung nach der Corona-Krise wird sein, dass wir mehr, bewusster unsere Glaubenserfahrung teilen, hinausgehen, nicht nur im eigenen Kreis bleiben.

Und letztlich – damit möchte ich schließen – letztlich zählt immer das Vertrauen, das der heilige Klemens gehabt hat, dass der heilige Paulus heute in der Lesung sagt: Gott schenkt das Wachstum. Der eine sät, der andere erntet. Der eine legt den Grundstein, der andere baut weiter. Aber das Wachstum schenkt Gott.
Darauf hat der heilige Klemens vertraut, auch wenn sein Werk oft zerstört worden ist, immer wieder Schwierigkeiten erlebt hat, aber er hat vertraut: Das Wachstum schenkt Gott. Und deshalb konnte er sein Wirken auf dieses eine Fundament stellen – es gibt nur dieses: Jesus Christus.

Und deswegen möchte ich Sie einladen, Schwestern und Brüder, an diesem Jubiläum des heiligen Klemens Maria Hofbauer, zu einem ganz großen Vertrauen: Er wirkt. Er schenkt das Wachstum. Er ist das Fundament. Amen.

Audio-Transkript der Predigt von Kardinal Christoph Schönborn beim Festgottesdienst zu Ehren von Kemens Maria Hofbauer in Maria am Gestade, Wien, am 15. März 2021.


Von: Martin Leitgöb