Der Generalobere wendet sich nicht nur an die Redemptoristen weltweit, sondern auch an alle, die mit uns verbunden sind, besonders auch an die Laienmitarbeiterinnen und -mitarbeiter wie auch an die Oblaten. Hier seine Worte im Volltext:
1. An diesem Tag, an dem wir den heiligen Alfons Maria von Liguori, unseren Gründer, feiern, sind wir eingeladen, ihn nicht nur als Lehrer und Leiter zu betrachten, sondern auch als lebendige Quelle charismatischer Inspiration und als mutiges Vorbild für eine Antwort auf die verwundete Welt, in der wir leben. Welche Herausforderungen stellt der heilige Alfons heute an uns, damit wir dem Charisma, das wir empfangen haben, treu bleiben?
2 Inmitten der Sorgen seiner Zeit (das Elend der Bauern, die geistige Verlassenheit der Armen, die Starrheit einer Moral, die das Gewissen unterdrückte) reagierte der heilige Alfons mit Kreativität, Kühnheit und evangelischem Mitgefühl. Sein missionarischer Geist veranlasste ihn, seinen adeligen Stand zu verlassen und aufs Land zu gehen; er machte den Beichtstuhl zu seiner Kathedra, um bei den am meisten Vergessenen zu sein, ihnen zuzuhören, ihnen zu verzeihen und die Frohe Botschaft der Barmherzigkeit zu verkünden. Seine Nähe zu den Armen und seine Theologie, die sich auf die Zärtlichkeit, die Barmherzigkeit Gottes und die pastorale Freundlichkeit stützt, erhellen weiterhin die Mission der Redemptoristen. Alfons hat keine einfachen Antworten gegeben und angesichts der Umstände seiner Zeit oft auch nicht bekommen, aber er hat mit innerer Freiheit, kreativer Treue und Leidenschaft für das Evangelium neue Wege beschritten. Und wir Redemptoristen Missionare, in der Tradition unseres Gründers: Wie hören wir den Menschen zu, die zu uns kommen? Welche theologische Sprache verwenden wir? Wie helfen wir, ihr Gewissen zu bilden? Die Beantwortung dieser Fragen erfordert von uns ständige Weiterbildung, Offenheit für den Heiligen Geist und ein Herz, das immer für den Dienst an der Mission bereit ist.
3. In einer von Kriegen, Ausgrenzungen und Glaubenskrisen verwundeten Welt, die von geografischen und existentiellen Peripherien umgeben ist, ist die Anwesenheit von Männern und Frauen mit der Kühnheit des Alfons dringend erforderlich: Propheten und Prophetinnen der Hoffnung, missionarische Jünger und Jüngerinnen, die die Schmerzen der Welt erkennen und sich für sie einsetzen. Notwendig ist die Tugend des Samariters, der den Gefallenen sieht, bewegt ist, sich ihm nähert, die Wunden verbindet, ihn pflegt und ihn in die Herberge bringt, damit die Pflege fortzusetzt werden kann, und der die Verantwortung und Pflege bis zur vollständigen Genesung übernimmt (vgl. Lk 10,25-37). Ebenso wichtig ist aber auch die Mitarbeit derer, die diese Mission ermöglichen. Ich denke mit Dankbarkeit an die vielen Menschen, die uns in den verschiedenen Realitäten, in denen wir tätig sind, bei der Verkündigung der Erlösung in Fülle begleiten.
4. Um diese Mission zu erfüllen, brauchen wir eine tiefe Spiritualität, die in der Quelle des Evangeliums verwurzelt ist. Das ist es, was Alfons sein ganzes Leben und seine Sendung hindurch getragen hat. Die redemptoristische Spiritualität ist keine Flucht vor der Wirklichkeit, sondern eine inkarnatorische und barmherzige Antwort auf den Schrei der Ärmsten und Verlassensten. Inspiriert vom Geheimnis der großen Erlösung, drängt sie uns, mit Zärtlichkeit und Glauben die Wunden der Menschheit zu berühren, vor allem in den geographischen und existentiellen Randgebieten. Aus diesem Grund kann die Mission nicht aufgeschoben oder lauwarm gelebt werden. Jede Gemeinschaft, jeder Mitbruder, jeder Laienredemptorist ist aufgerufen, ein lebendiges Zeichen der Barmherzigkeit Gottes zu sein: eine Präsenz, die aufnimmt, zuhört, tröstet und ermutigt. Aus diesem Grund ist die heutige Zeit unser heiliges Feld. Dorthin sind wir gesandt, um unsere Berufung mit aktiver Hoffnung, evangelischem Mut und genährt vom missionarischen Eifer unseres Gründers zu leben.
5. Die Kirche lädt uns dazu ein, dieses Jubeljahr der Hoffnung als eine Gnade und missionarische Erneuerung zu leben. Als Kongregation sind wir herausgefordert, dieses heilige Jahr als Impuls für ein neues Hören auf den Geist anzunehmen. Was verlangt der Herr heute von uns? Welche Erneuerung wünscht der Geist in unserer Art, unter den Armen zu sein und den Erlöser zu verkünden? Das Jubeljahr fordert uns zu einer missionarischen Umkehr heraus: den anfänglichen Eifer wieder aufzugreifen, mutig an die Peripherien zu gehen, uns von der Wirklichkeit der Schwächsten berühren zu lassen, wie es der heilige Alfons tat. Die Hoffnung, zu der wir uns bekennen, ist ein Gegenmittel gegen den Pessimismus, der, wenn er in das christliche und geweihte Leben eindringt, eine große Blindheit und Lähmung verursacht, die uns nach und nach krank macht und uns als Personen und als Institution sterben lässt.
6. Als Kongregation bereiten wir uns darauf vor, das 300-jährige Gründungsjubiläum zu feiern. Dies ist eine günstige Gelegenheit, uns zu fragen: Welche Kongregation wollen wir für die Zukunft? Die Zukunft hängt von unserer Fähigkeit ab, weise auf die Vergangenheit zu blicken, ohne in ihr eingesperrt zu sein, und das Heute unserer Geschichte mit Mitverantwortung, kreativer Treue und Furchtlosigkeit anzunehmen. Wir sind oft versucht, uns eine Kongregation zu wünschen, die nach unserem eigenen Bild und unserer eigenen Fantasie geformt ist. Diese Denkweise kann jedoch das Charisma ersticken und die Sendung verarmen lassen und uns zur Entleerung unserer Identität führen. Die Kongregation besteht aus uns allen: Priestern, Brüdern, Formandi und Laien, mit unseren Schwächen und Begabungen. Gemeinsam bilden wir ein lebendiges Mosaik, das das Antlitz des Erlösers widerspiegelt. Es ist diese Vielfalt, die wir annehmen und großzügig anbieten, die die Schönheit unserer Sendung zum Leuchten bringt. Wenn wir uns weigern, unseren Mosaikstein - den kleinen, aber einzigartigen Stein unseres Lebens und unserer Berufung - anzubieten, verliert das Mosaik an Kraft und Leuchtkraft. Jeder Beitrag ist unerlässlich, wenn die Kongregation ein Zeichen der Hoffnung und der Erlösung in der Welt bleiben soll.
7. Liebe Mitbrüder, Formandi und Mitglieder der Redemptoristenfamilie, lasst uns diesen Tag mit offenen Herzen und festen Füßen auf den Wegen der Mission feiern. Der heilige Alfons lehrt uns die Hoffnung, die beharrlich ist, die Kreativität, die erneuert, und die Barmherzigkeit, die tröstet. Möge sein Beispiel uns weiterhin dazu inspirieren, „Missionare der Hoffnung in den Fußspuren des Erlösers“ zu sein und lebendige Zeichen der Gegenwart Gottes im Herzen einer verwundeten und verletzten Welt zu werden. Möge unsere Mutter von der Immerwährenden Hilfe uns auf diesem Weg begleiten, zusammen mit den Heiligen, Seligen und Märtyrern der Redemptoristen, die dem Beispiel unseres Gründers folgend, der Sendung des Erlösers bis zum Ende treu geblieben sind.



